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In der Überzeugung, dass

  • die Anerkennung der Würde und des Wertes der menschlichen Person, ihrer kreativen und ethischen Potentiale und ihrer Gabe, die Zukunft schöpferisch zu gestalten, die Grundlage des gerechten, friedlichen und demokratischen Zusammenlebens freier Subjekte ist;
  • die Nichtanerkennung dieser Werte und Potentiale zugunsten eines blinden Fortschritts-glaubens und eines deterministischen Weltbildes eine Haltung des Fatalismus und der Resignation befördert, die die Zukunft unseres Planeten sowie das zivilisierte Zusammen-leben zwischen Menschen gefährdet;
  • wir alle Verantwortung für das gute Leben tragen und über die Gabe verfügen, uns darüber in Rede, Gewissens- und Glaubensfreiheit offen zu verständigen;
  • moderne Technologien uns viele geeignete Mittel an die Hand geben, dies auf kluge und gerechte Weise zu tun;

haben wir die folgenden 10 Regeln für die digitale Welt formuliert. Sie sollen uns alle als Individuen und alle Organisationen und Institutionen, die für unsere Zukunftsgestaltung im Zeitalter der Digitalisierung Verantwortung tragen, an die gemeinsame Verantwortung für eine gute digitale Zukunft erinnern und dazu anregen, die Regeln im Lichte jeder individuellen Rolle und Verantwortung zu konkretisieren.

10 Regeln für die Digitale Welt

Erhebt digitale Technik nicht zum Selbstzweck.

Digitalisierung sollte nur als Medium zur Entfaltung und zum Wohlergehen von Mensch, Gesellschaft und Umwelt eingesetzt werden. Wo dies nicht der Fall ist und das Digitale zu einem falschen Gott wird, der Menschen diktiert, was sie zu denken und zu tun haben, wo digitale Transformation als unausweichlich und per se als fortschrittlich dargestellt wird, wo Analoges und sogar der analoge Mensch per se als rückschrittlich angesehen wird oder sich der grenzenlose Einsatz von KI zu jedem erdenklichen Zweck zu einem unhinterfragbaren Gesetz verselbständigt hat, da wird in Wahrheit falschen Heilsversprechungen zugearbeitet. Wir brauchen den Mut zu einer gesellschaftlich sinnvollen statt einer ungesteuerten und unreflektierten Digitalisierung.

Schreibt Maschinen keine Menschlichkeit zu.

Digitale Technik kann Menschen zwar imitieren, sie täuscht dabei aber lediglich Menschenähnlichkeit vor. Damit ist sie potenziell manipulativ, irreführend und kann zu einer gefährlichen Ausbeutung personaler Beziehungsmuster beitragen Wo “künstliche Intelligenzen” etwa “ich”-Bezüge in Sprachausgaben benutzen, wo sie nicht-vorhandene Gefühle vorspiegeln, und Erfahrungen simulieren, die sie nicht haben können, da täuschen sie eine Menschlichkeit vor, die ihnen nicht zukommt. Hersteller, Wissenschaftler und Designer sind hier in einem Dilemma um präzise Sprache und wertesensible Gestaltung verstrickt. Das beginnt bei sprachlichen Formulierungen wie „Gedanken lesen“ statt "Analyse von Hirnsignalen“ und endet beim Missbrauch menschlicher Gestalt zur Präsentation von Maschinen. Maschinen sind keine Menschen, und Menschen sind keine Maschinen.

Schafft Raum für Muße und analoge Begegnung.

Der Mensch braucht Möglichkeiten echter körper-leiblicher Begegnungen, die geistige Resonanzen und vielfältige Begabungen wachrufen, ebenso wie die Aktivierung leiblicher Ausdruckspotentiale und die Erfahrung, in und mit der Natur zu leben. Unsere technischen Umgebungen lassen das derzeit oft nicht zu; digitale Designs können süchtig machen und die mentale Gesundheit gefährden. Dies trifft für alle Altersklassen zu und wird vor allem für Kinder und Jugendliche zu einem Entwicklungsproblem. Unpersönliche technische Aufforderungen, Push-Nachrichten, Workflows, Kalender, Reminders, etc.‒ in Echtzeit 24 Stunden 7 Tage die Woche - sind in den meisten Fällen weder erforderlich noch gesund. Entsprechende Erwartungen an die Erreichbarkeit von Kommunikationspartnern sind keine Tugenden. Der Mensch braucht Räume und Zeiten der Muße und Stille.

Garantiert den Erhalt sozialer und demokratischer Kompetenzen.

Wir stellen einen gesellschaftlichen Rückschritt durch Technik dort fest, wo demokratische Selbstbestimmungs- und zwischenmenschliche Konfliktfähigkeit ausgehöhlt werden und geschützte Räume des familiären und generellen sozialen Zusammenlebens verloren gehen, in denen Menschen lernen, sich miteinander zu verständigen. Wo Technik übergriffig, manipulativ, unkontrollierbar, unnötig komplex oder unbeeinflussbar gestaltet ist, führt sie leicht zur Entmündigung von Individuen, sozialen Gemeinschaften, oder sogar von ganzen Staaten, die ihre digitale Souveränität verlieren. Zum anderen führt die bequeme und massenhafte Zuspielung von Inhalten und KI-Antworten zu einer dramatischen Reduktion der individuellen und kollektiven Urteilskraft, des kritischen Denkens, der Konfliktfähigkeit, der Risikokompetenz und der Fürsorgeverantwortung.

Zerstört nicht die Natur für den technischen Fortschritt.

Die Digitalisierung ist deutlich umweltbelastender und zerstörerischer, als dies gemeinhin dargestellt wird. Energie, Wasser, Luft, seltene Erden, Gase, Landschaften, ja sogar das All dürfen nicht einfach eingekauft, verbraucht und zu bloßen Ressourcen reduziert werden; oft gegen den Willen und den Common Sense der Bevölkerung. Es fehlt eine systematische Erfassung sämtlicher Umweltkosten von Technik auf allen Stufen ihrer Entstehung und ihres Betriebs, auf globaler Ebene und durch ein entsprechend standardisiertes und regelmäßig aktualisiertes Monitoring-System. Öffentliches Bewusstsein darüber, wie stark IT die Umwelt belastet und natürliche Ressourcen verbraucht, ist eine Voraussetzung dafür, dass Verbraucher und Organisationen ihre Nutzung bewusster gestalten können, um so dazu beizutragen, dass die Nutzung von IT-Services und KI nur dort stattfindet, wo sie umweltschonend zur sozialen Wertschöpfung beiträgt.

Behandelt Menschen nicht als bloße Datenobjekte.

Menschen werden zunehmend auf ihre Profildaten und Kennzahlen reduziert (z.B. in Form von Scores, Digital Twins, erreichten Key Performance Indikatoren etc.) und zu digitalen Konsumobjekten oder Waren degradiert. Das hat Folgen in allen Lebensbereichen, von der Freizeitgestaltung und dem Privat- oder Intimleben, über Arbeitssuche, Weiterbildung, Zugang zu Krediten, bis hin zur Bewertung von Arbeits- oder Forschungsleistungen. Derartige Praktiken berühren die Menschenwürde und hemmen die Entfaltung persönlicher Potentiale. Schließlich führen Kennzahlen auch zu Formen der Verhaltenskonditionierung, z.B. wenn als Reaktion auf Ratingsysteme versucht wird, den eigenen Score zu optimieren. Menschen sind mehr als die Summe ihrer Daten.

Lasst Euch nicht Eurer menschlichen Potenziale berauben.

Die gegenwärtige Technikgestaltung ist nachweislich darauf ausgerichtet, unsere Aufmerksamkeit zu konsumieren und untergräbt die Fähigkeit, selbst zu denken, eigene Gedanken in Worte zu fassen, kreativ zu sein, selbständig Lösungen zu finden und Praktiken der gegenseitigen Fürsorge und Wertschätzung zu kultivieren. Die Werbung mit einem immer bequemeren Leben mit immer mehr digitalen Helfern wirkt wie ein süßes Gift zur Schaffung von Akzeptanz bei den Usern. Damit nimmt Technik Menschen die unabdingbaren Voraussetzungen zur Erfahrung von persönlicher Wirksamkeit und freier Persönlichkeitsentfaltung, ohne die menschliches Zusammenleben nicht gelingen kann und persönliche Zufriedenheit nicht zu verwirklichen ist.

Verleugnet nicht die Grenzen der Technik.

Es gibt eine Tendenz, (digitale) technische Lösungen in ihrer Leistungsfähigkeit systematisch zu überschätzen, und es gibt massive kommerzielle Interessen daran, die Grenzen digitaler Technologien zu verschweigen oder herunterzuspielen. Das Entgrenzungsnarrativ der Technik führt bei KI zur Behauptung der "grenzenlosen" Überlegenheit der KI über menschliches Denken und Empfinden, das auf eine Entmachtung des Menschen durch die Technik abzielt. Technische Fehlerhaftigkeit wird hingegen verschleiert und verschwiegen zum finanziellen und seelischen Schaden der Betroffenen. Gleichzeitig werden realistische Instrumente der Technikfolgenabschätzung oder des Value-Based Engineering in den Innovationsprozessen ignoriert, die Risiken und Möglichkeiten verantwortlich gestalten könnten und falsche Erwartungen eindämmen würden.

Nutzt Maschinen nicht, um die Freiheit Anderer zu untergraben.

Technik kann uns in vielerlei Hinsicht neue, wirkmächtige Freiheiten und Freiräume schenken. Dieses Potential sollte nicht verspielt werden, indem wir diese Freiräume unverantwortlich, respektlos und übergriffig ausbeuten und dabei die Selbstbestimmung von Individuen und Gemeinschaften unter-graben. Dies geschieht leider zunehmend und in allen Lebensbereichen, denn wo die technischen Möglichkeiten vorhanden sind, wecken sie ein Begehren, sich über persönliche und soziale Grenzen hinwegzusetzen. So kommt es etwa zu einer zunehmenden gegenseitigen Überwachung im Privatbereich (z.B. von Partnern, Kindern) sowie auf organisationaler Ebene (z.B. im Home-Office), die Entwicklungsmöglichkeiten und Freiheitsrechte der Überwachten einschränken. Dies führt zu einer Erosion der Freiräume persönlicher und kollektiver Individuation.

Verhindert Macht-Konzentration und garantiert Teilhabe.

Wir beobachten extreme Machtasymmetrien auf allen Ebenen der Technik-Bereitstellung und -Nutzung. Diese beginnen beim Technikdesign, wo einseitige und nicht-kollaborative Gestaltungs-macht bei Entwicklern und Entwicklerinnen dazu führt, dass Stakeholder- Bedürfnisse ignoriert werden. Nutzern werden ungefragt und permanent neue Software- und Hardwareversionen aufgezwungen. Die beispiellose Konzentration von finanzieller, ökonomischer und zunehmend auch politischer Macht in den Händen weniger weltweit operierender Akteure, die diese Technik nach eigenen Regeln einsetzen, ist mit der Demokratie nicht vereinbar. Die Monopole sollten im Sinne einer neu verstandenen Gewaltenteilung zerschlagen werden. Digitale Technik darf nicht dazu führen, dass Ältere oder Menschen aus benachteiligten sozialen Schichten oder mit Behinderungen von der Teilhabe an gesellschaftlichen Aktivitäten und demokratischen Prozessen eingeschränkt, benachteiligt oder ausgeschlossen werden.